FINDET MICH

Erwin und Maria, beide in den 1950ern geboren, sind ihren engen Elternhäusern entflohen. Sie haben zwei Kinder, verdienen gerade genug, um nicht schlecht zu leben, und wohnen im Genossenschaftsquartier einer Kleinstadt im Kanton Zürich. Man fährt in den Urlaub, man isst gemeinsam am Küchentisch, man verpackt die Essensreste in Tupperware. Kurz: Es ist eine vollkommen normale, wenn nicht sogar glückliche Familie. Getrübt wird die Stimmung höchstens von Erwins wiederkehrenden Wutausbrüchen und den Pubertätsleiden der Kinder: Florence kotzt, Lukas kifft.

Als Erwin mit Mitte Fünfzig keine neue Arbeit mehr findet, als sein Vater, dessen Anerkennung lebenslang ausblieb, stirbt, ist Erwins schleichende Veränderung nicht mehr zu übersehen: Seine Stimmung wechselt von Verzweiflung zu Großartigkeit, er hängt Fantasien und Feindbildern nach und macht schließlich seine Drohungen wahr: er taucht unter.

Wer ist dieser Mann, den sie so gut zu kennen glaubten? Wo verläuft die Grenze zwischen normal und verrückt und ist die Psychose, die Erwin attestiert wird, ein privates oder letztlich ein gesellschaftliches Symptom?

FINDET MICH lässt die Leser aus unterschiedlichen Perspektiven auf seine Figuren schauen und taucht dabei immer tiefer in deren Geschichten ein: Der Roman blickt in die Zeiten zurück, als die Eltern der Eltern noch jung waren, Erwin und Maria selbst noch Kinder. Er schaut Florence und Lukas beim Aufwachsen und Erwachsenwerden zu, fängt prägende Momente ein, Wendepunkte und Ereignisse, deren Bedeutung sich erst im Laufe der Zeit herausstellt.

FINDET MICH heftet sich dicht an die Fersen einer Figur, deren Selbstwahrnehmung der Fremdwahrnehmung diametral entgegen steht und deren Ich-Gebilde nach und nach zerbröckelt – was sich in einer sich immer mehr fragmentierenden Sprache abbildet. FINDET MICH erzählt vom Glück der hellen Tage und von der Verzweiflung über die Dunkelheit, die sich durch Erwins Krankheit über die Familie legt.

Leser*innenstimmen

Lesungen

Rezensionen

(…) Erwins Irrfahrt und die Erzählungen aus der Vergangenheit sind im Präsens gehalten - ein Kniff, der die Wirkkraft dessen, was lange zurückliegt, eindrucksvoll zur Geltung kommen lässt. Nichts ist wirklich vergangen; alles hat Gewicht.
Rainer Moritz, NZZ

Präzis und lebendig beschreibt Wirth, was eine psychische Krankheit mit einer Familie macht. «Findet mich» erzählt vom Auseinanderdriften der Normalität, von Prägungen und vom Erwachsenwerden.
Martina Läubli, NZZ am Sonntag

Das Buch lässt aber geschickt offen, ob Erwin wegen patriarchaler Erwartungen, seines Temperaments oder bipolarer Veranlagung psychisch krank wird.
Hansruedi Kugler, St. Galler Tagblatt

Lassen wir uns mitreißen von diesem ganz besonderen Roman, der behutsam und keineswegs reißerisch geschrieben ist, hineinziehen in diese konservative Welt, in den Wahn des Protagonisten, denn er wühlt auf und erinnert gleichzeitig schal an die Lebensverhältnisse aus den Sechzigerjahren.
Verena Lüthje, Perlen der Literatur

Es kommen alle zu Wort. Alle vier Figuren erzählen von sich in dieser vermeintlich «normalsten Familie der Welt», und keine davon verkommt zur Nebenfigur, womit Doris Wirth ausgesprochen beachtlich debütiert.
Nora Zukker, Tages Anzeiger

Und dass es gerade Erwin ist, der unter anderem am bürgerlich-männlichen Ideal des souveränen Pater familiae scheitert und damit alle Beteiligten schonungslos in Mitleidenschaft zieht, ist nicht schön zu lesen (so wenig wie es die Rolle ohnehin ist), ist aber irgendwo folgerichtig. 
Susanne Leuenberger, Berner Kulturagenda

Vom Misslingen wird erzählt, manchmal komisch, oft melancholisch, doch immer in präzisen, überraschenden Bildern, die es schwermachen, das Buch aus der Hand zu legen.
Ruth Loosli, Coucou Magazin

Es stellt sich vermehrt die Frage nach den Ursachen für diese psychische Erkrankung. Gesellschaftlicher Druck? Arbeit? Leistungserwartung? Oder einfach von Haus aus ein paar Synapsen zu locker?
Marco Lombardi, Alpenlandkunst (bookstagram)

Erwins Flucht erinnert an die ungestümen Figuren Sal Paradise und Dean Moriarty aus Jack Kerouacs Roadtrip-Roman Unterwegs (On the Road), die in ihrer Suche nach einem neuen Lebensgefühl durch die USA reisen und sich kaum um gesellschaftliche Konventionen scheren. Auch Erwin gibt sich einem vielseitigen Rausch hin: «Er hat kein Gewicht mehr, er schwebt.»
Ladina Caduff, Viceversa Literatur